Sinnlose Kriege und sinnloses Töten von Menschen

Kriege


"Jede Kanone, die gebaut wird, jedes Kriegsschiff, das vom Stapel gelassen wird, jede abgefeuerte Rakete bedeutet letztlich einen Diebstahl an denen, die hungern und nichts zu essen bekommen, denen, die frieren und keine Kleidung haben. Eine Welt unter Waffen verpulvert nicht nur Geld allein. Sie verpulvert auch den Schweiß ihrer Arbeiter, den Geist ihrer Wissenschaftler und die Hoffnung ihrer Kinder."
Dwight D. Eisenhower

href="http://www.onlyfree.de/zeichen-setzen.php">Gegen Krieg


Krieg ist ein organisierter und unter Einsatz erheblicher Mittel mit Waffen und Gewalt ausgetragener Konflikt, an dem oft mehrere planmäßig vorgehende Kollektive beteiligt sind. Ziel der beteiligten Kollektive ist es, ihre Interessen durchzusetzen. Der Konflikt soll durch Kampf und Erreichen einer Überlegenheit gelöst werden. Die dazu stattfindenden Gewalthandlungen greifen gezielt die körperliche Unversehrtheit gegnerischer Individuen an und führen so zu Tod und Verletzung. Neben Schäden an am Krieg aktiv Beteiligten entstehen auch immer Schäden, die meist eher unbeabsichtigt sind. Sie werden heute euphemistisch als Kollateralschäden, bzw. Begleitschäden bezeichnet. Krieg schadet auch der Infrastruktur und den Lebensgrundlagen der Kollektive.

Kriegsformen sind vielfältig und nicht unbedingt an Staaten oder Staatssysteme gebunden: Sie können auch innerhalb von Staaten stattfinden, etwa als Bürgerkrieg, Unabhängigkeitskrieg oder bewaffneter Konflikt, und zum Weltkrieg oder zum Völkermord führen.

In der historisch belegten Menschheitsgeschichte haben knapp 14.400 Kriege stattgefunden, denen ungefähr 3,5 Milliarden Menschen zum Opfer gefallen sind. Da bisher schätzungsweise 100 Milliarden Menschen gelebt haben, musste somit jeder dreißigste Erdenbürger sein Leben durch kriegerische Handlungen lassen.

No War


Krieg, Krieg, Krieg. Im Mittleren und Nahen Osten frisst er sich von Land zu Land, die chinesische See droht er zu vergiften, in der Ukraine wirft er seinen schwarzen Schatten über Europa.

Das International Institute for Strategic Studies zählt derzeit 41 bewaffnete Konflikte in der Welt, und momentan hat man den Eindruck, jede Woche käme ein neuer dazu: Ukraine, Syrien, Irak, Jemen, Libyen, Nigeria, und erneut Israel und Palästina.

Vor wenigen Jahren noch redeten Politiker, Diplomaten und Konfliktforscher von einer neuen Ära nach dem Kalten Krieg, von einer Epoche der Abrüstung, der Friedensdividende und zivilen Konfliktlösung. Schlichtung statt Schlacht. Und jetzt? Wird die Hoffnung auf eine friedliche Welt endgültig zur Illusion? Gehört der Krieg zum Menschen?

Ja, behauptet der britische Historiker Ian Morris in seinem vor Jahresfrist erschienenen Buch mit dem provozierenden Titel Krieg. Wozu er gut ist. Krieg, schreibt er, habe dazu geführt, dass große Staaten und Reiche entstanden seien. Und je größer ein gesellschaftlicher Verband, desto seltener die mörderische Gewalt zwischen den Individuen.

In dieser Überlegung steckt die Theorie des englischen Aufklärers Thomas Hobbes vom Gewaltmonopol: Der Bürger trete seine Gewaltmittel an den Staat ab, der dafür Sicherheit und Schutz des Eigentums garantiere. Und über lange Zeiträume betrachtet, ist mit dem Aufkommen des Gewaltmonopols großer Staaten tatsächlich die Wahrscheinlichkeit gesunken, mit der ein Individuum eines gewaltsamen Todes stirbt. In "produktiven Kriegen", schreibt Morris, erstarke dieser Hobbessche Staat, ein besseres Mittel für die Zivilisierung der Menschen habe die Geschichte nun einmal nicht hervor gebracht. Sein klassisches Beispiel ist die Pax Romana. Doch auch heute existierende, zivilisierte Staaten wie beispielsweise der französische sind aus Kriegen hervorgegangen.

Syrien ist nach drei Jahren furchtbarer Gewalt faktisch zerfallen

Der Haken an Morris’ These ist, dass man sie nicht überprüfen kann. Es ließe sich genauso gut behaupten: Die tödliche Gewalt zwischen Menschen hat in den vergangenen Jahrhunderten nicht wegen, sondern trotz der Kriege abgenommen. Der Frieden ist der Normalfall, der immer wieder von kriegerischen Katastrophen unterbrochen wird. Aus dieser Sicht ist der Krieg kein produktives, sondern immer ein störendes, ein zerstörendes und verrohendes Ereignis, das unbedingt verhindert werden muss. Denn er erzeugt neue Gewalt. Siege verleiten zur Selbstüberschätzung, Niederlagen säen Revanchegelüste, die Gewöhnung an das Töten brutalisiert eine Gesellschaft.



Die Kriege im ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhundert gefährden außerdem just das, was Morris zufolge aus ihnen hervorgegangen ist – Staaten mit einem Gewaltmonopol. Morris nennt sie "unproduktive Kriege", und sie sind inzwischen nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel: Der Bürgerkrieg in Somalia hat seit 1991 die staatlichen Strukturen zerstört; Syrien ist nach drei Jahren horrender Gewalt gegen die Zivilbevölkerung faktisch zerfallen, der Irak bricht entlang konfessioneller und ethnischer Grenzen auseinander. Die jüngste Nation der Welt, der Südsudan, verheert sich gerade selbst in einem Machtkampf zwischen den beiden größten Volksgruppen. Die kaum kaschierte Militärintervention Moskaus in der Ukraine soll das Land bis zur Unregierbarkeit destabilisieren, aber sie wird auch den Aggressor selbst, Russland, auf lange Sicht politisch und wirtschaftlich schwächen.

Alles Gründe also, sich von Neuem die alte, die uralte Menschheitsfrage neu zu stellen: 

Können Kriege verhindert werden?

Vielleicht hat die Welt nur Glück gehabt, dass es keinen Atomkrieg gab

So wurde schon in der Ära der Ost-West-Konfrontation nach dem Zweiten Weltkrieg gefragt, eine Zeit, die im Vergleich zu heute geradezu stabil anmutet. Die gegenseitige Abschreckung mit Atomwaffen gilt ihren Verfechtern bis heute als erfolgreiche Politik, Krieg zu verhindern – immerhin hat die Welt nicht gebrannt. Diese Sichtweise blendet allerdings die Stellvertreterkriege der Supermächte aus, die zahllosen Schlachtfelder in Asien und Afrika mit ihren Hunderttausenden Toten.

Ob die nukleare Abschreckung wirklich ein sicheres System war, lässt sich nicht beweisen. Vielleicht hat die Welt bloß Glück gehabt, dass es nicht zum Schlimmsten kam. Ein Fehlalarm oder eine irrige Einschätzung der anderen Seite hätte jenes Gesamtsystem aus wechselseitigen Annahmen über Absichten, Strategien und Potenziale sowie die computergestützten Alarmsysteme womöglich umkippen lassen und zu einem plötzlichen Atomkrieg führen können. Diese Gefahr hat die Blockkonfrontation sogar überdauert. So hatten die russischen Militärs im Jahr 1995 schlicht vergessen, dass Norwegen ihnen den Start eines Wettersatelliten angekündigt hatte. Die Generäle alarmierten den damaligen Präsidenten Boris Jelzin, eine Nato-Rakete bewege sich auf den russischen Luftraum zu. Gottlob mochte Jelzin nicht glauben, Bill Clinton habe aus heiterem Himmel einen Atomkrieg begonnen – noch dazu mit einer einzigen Rakete aus Norwegen.

Man vertraute auf die Vernunft der anderen Seite. Kann man das heute immer noch, in einer Welt, in der ein Kernwaffenstaat wie Russland irreguläre Einheiten für sich kämpfen lässt, denen der Wahnsinn ins Gesicht geschrieben steht? Muss man nicht mittlerweile mit allem rechnen?

Bis heute sind Kernwaffen nicht geächtet, sondern ein Element militärischer Strategien. Weltweit sind 16.300 Atomwaffen stationiert, davon 4.000 jederzeit abschussbereit. Und zwar nicht nur pro forma. Ein indischer Strategieexperte bemerkte vor einiger Zeit während eines Besuchs in Hiroshima, die heute blühende Stadt sei ein Beispiel dafür, dass sich die Menschheit von einem Nukleareinsatz prächtig erholen könne. Es stimmt ja auch: Regional begrenzte Atomexplosionen wären eine Katastrophe, es könnten Millionen Menschen sterben, und doch wären sie nicht das Ende der Welt. Trotzdem lässt diese Nonchalance erschauern, erst recht, wenn man bedenkt, dass ein solcher Einsatz die andere Seite – im Fall einer indischen Bombe vielleicht Pakistan oder China – zu einer atomaren Antwort provozieren und eine Eskalation der Vernichtung in Gang setzen könnte.

Südasien ist weit weg. Doch es wird spekuliert, dass Wladimir Putin mit Litauen demnächst ähnlich wie mit der Ukraine verfahren könnte. Litauen ist Mitglied der Nato, eines Schutzbündnisses gegen Aggressionen. Wie würde, wie müsste die Nato in solch einem Fall reagieren? Oder gar, wenn Polen bedroht wäre? Wie sähe sodann die russische Gegenreaktion aus? Deutsche Außenpolitiker, die dieser Tage solche Szenarien durchspielen, denken stets die nukleare Dimension mit. Und es wird ihnen kalt.

Die atomare Bewaffnung ist noch immer ein Teil des Problems und nicht der Lösung. Dass nukleare Abschreckung kriegerische Katastrophen verhüten werde, gilt heute noch weniger als vor 25 Jahren. Da muss man sich schon nach besseren Mitteln umsehen, Kriege zu verhindern.

Wer sich in die Vorgeschichte der großen Kriege vertieft, ist immer wieder versucht, "Halt!" zu rufen. Man möchte den Beteiligten in den Arm fallen, um den Ausbruch des Unglücks abzuwenden. Aber funktioniert das in der Wirklichkeit überhaupt? Manchmal ja. Man muss aber vorher ergründen, wie und warum Kriege entstehen.

Das Gesicht des Krieges hat sich über die Jahrhunderte verändert, die Kriegsmotive sind die gleichen geblieben. Was der antike Historiker Thukydides in seinem Werk Der peloponnesische Krieg beschrieben hat, ist bis heute gültig. Etwa, dass zwischen Anlass und Ursache eines Krieges zu unterscheiden ist. So vielfältig die Auslöser sein mögen – eine Ohrfeige, ein Fenstersturz, ein Attentat, ein Sprachengesetz wie unlängst auf der Krim oder eine mörderische Entführung wie jüngst die der drei israelischen Schüler – , die zentralen Motive bleiben diejenigen, die Thukydides vor über 2.000 Jahren herausgearbeitet hat: Furcht, Ehre und Nutzen.

Furcht ist immer real, ob begründet oder nicht. Das kann die Furcht davor sein, dass ein Staat sein Gewicht in der Welt verliert, dass der eigenen ethnischen oder religiösen Gruppe Unterdrückung oder gar Auslöschung droht, dass ein potenzieller Gegner erstarkt. Die Ehre wiederum ist ein Kriegsmotiv, dem ebenfalls eine bestimmte Furcht zugrunde liegt: davor, dass die eigene Glaubwürdigkeit leidet und damit das Droh- oder Abschreckungspotenzial. Auch der ins Auge gefasste Nutzen ist immer wieder der gleiche: Landgewinn, Zugang zu Verkehrswegen, zu Naturreichtümern wie Öl sowie in naher Zukunft womöglich zu Trinkwasser oder einfach die nachhaltige Schwächung eines Gegners.

Angesichts der Zerstörungskraft der heutigen Waffentechnik scheint ein Krieg um solche Vorteile, objektiv betrachtet, niemals nützlicher zu sein als der Frieden. Schiere Übermacht oder die zunehmende Zielgenauigkeit der Waffen können indes zu der Vorstellung verleiten, begrenzte Kriegsziele ließen sich mit Präzision erreichen. Die israelische Führung beispielsweise glaubt, den Konflikt mit Hamas dauerhaft kontrollieren zu können, indem sie immer wieder deren militärisches Potenzial durch Bombardements schwächt.



Die Kriege im ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhundert gefährden außerdem just das, was Morris zufolge aus ihnen hervorgegangen ist – Staaten mit einem Gewaltmonopol. Morris nennt sie "unproduktive Kriege", und sie sind inzwischen nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel: Der Bürgerkrieg in Somalia hat seit 1991 die staatlichen Strukturen zerstört; Syrien ist nach drei Jahren horrender Gewalt gegen die Zivilbevölkerung faktisch zerfallen, der Irak bricht entlang konfessioneller und ethnischer Grenzen auseinander. Die jüngste Nation der Welt, der Südsudan, verheert sich gerade selbst in einem Machtkampf zwischen den beiden größten Volksgruppen. Die kaum kaschierte Militärintervention Moskaus in der Ukraine soll das Land bis zur Unregierbarkeit destabilisieren, aber sie wird auch den Aggressor selbst, Russland, auf lange Sicht politisch und wirtschaftlich schwächen.

Alles Gründe also, sich von Neuem die alte, die uralte Menschheitsfrage neu zu stellen: Können Kriege verhindert werden?

Vielleicht hat die Welt nur Glück gehabt, dass es keinen Atomkrieg gab

So wurde schon in der Ära der Ost-West-Konfrontation nach dem Zweiten Weltkrieg gefragt, eine Zeit, die im Vergleich zu heute geradezu stabil anmutet. Die gegenseitige Abschreckung mit Atomwaffen gilt ihren Verfechtern bis heute als erfolgreiche Politik, Krieg zu verhindern – immerhin hat die Welt nicht gebrannt. Diese Sichtweise blendet allerdings die Stellvertreterkriege der Supermächte aus, die zahllosen Schlachtfelder in Asien und Afrika mit ihren Hunderttausenden Toten.

Ob die nukleare Abschreckung wirklich ein sicheres System war, lässt sich nicht beweisen. Vielleicht hat die Welt bloß Glück gehabt, dass es nicht zum Schlimmsten kam. Ein Fehlalarm oder eine irrige Einschätzung der anderen Seite hätte jenes Gesamtsystem aus wechselseitigen Annahmen über Absichten, Strategien und Potenziale sowie die computergestützten Alarmsysteme womöglich umkippen lassen und zu einem plötzlichen Atomkrieg führen können. Diese Gefahr hat die Blockkonfrontation sogar überdauert. So hatten die russischen Militärs im Jahr 1995 schlicht vergessen, dass Norwegen ihnen den Start eines Wettersatelliten angekündigt hatte. Die Generäle alarmierten den damaligen Präsidenten Boris Jelzin, eine Nato-Rakete bewege sich auf den russischen Luftraum zu. Gottlob mochte Jelzin nicht glauben, Bill Clinton habe aus heiterem Himmel einen Atomkrieg begonnen – noch dazu mit einer einzigen Rakete aus Norwegen.

Man vertraute auf die Vernunft der anderen Seite. Kann man das heute immer noch, in einer Welt, in der ein Kernwaffenstaat wie Russland irreguläre Einheiten für sich kämpfen lässt, denen der Wahnsinn ins Gesicht geschrieben steht? Muss man nicht mittlerweile mit allem rechnen?

Bis heute sind Kernwaffen nicht geächtet, sondern ein Element militärischer Strategien. Weltweit sind 16.300 Atomwaffen stationiert, davon 4.000 jederzeit abschussbereit. Und zwar nicht nur pro forma. Ein indischer Strategieexperte bemerkte vor einiger Zeit während eines Besuchs in Hiroshima, die heute blühende Stadt sei ein Beispiel dafür, dass sich die Menschheit von einem Nukleareinsatz prächtig erholen könne. Es stimmt ja auch: Regional begrenzte Atomexplosionen wären eine Katastrophe, es könnten Millionen Menschen sterben, und doch wären sie nicht das Ende der Welt. Trotzdem lässt diese Nonchalance erschauern, erst recht, wenn man bedenkt, dass ein solcher Einsatz die andere Seite – im Fall einer indischen Bombe vielleicht Pakistan oder China – zu einer atomaren Antwort provozieren und eine Eskalation der Vernichtung in Gang setzen könnte.

Südasien ist weit weg. Doch es wird spekuliert, dass Wladimir Putin mit Litauen demnächst ähnlich wie mit der Ukraine verfahren könnte. Litauen ist Mitglied der Nato, eines Schutzbündnisses gegen Aggressionen. Wie würde, wie müsste die Nato in solch einem Fall reagieren? Oder gar, wenn Polen bedroht wäre? Wie sähe sodann die russische Gegenreaktion aus? Deutsche Außenpolitiker, die dieser Tage solche Szenarien durchspielen, denken stets die nukleare Dimension mit. Und es wird ihnen kalt.

Die atomare Bewaffnung ist noch immer ein Teil des Problems und nicht der Lösung. Dass nukleare Abschreckung kriegerische Katastrophen verhüten werde, gilt heute noch weniger als vor 25 Jahren. Da muss man sich schon nach besseren Mitteln umsehen, Kriege zu verhindern.

Wer sich in die Vorgeschichte der großen Kriege vertieft, ist immer wieder versucht, "Halt!" zu rufen. Man möchte den Beteiligten in den Arm fallen, um den Ausbruch des Unglücks abzuwenden. Aber funktioniert das in der Wirklichkeit überhaupt? Manchmal ja. Man muss aber vorher ergründen, wie und warum Kriege entstehen.

Das Gesicht des Krieges hat sich über die Jahrhunderte verändert, die Kriegsmotive sind die gleichen geblieben. Was der antike Historiker Thukydides in seinem Werk Der peloponnesische Krieg beschrieben hat, ist bis heute gültig. Etwa, dass zwischen Anlass und Ursache eines Krieges zu unterscheiden ist. So vielfältig die Auslöser sein mögen – eine Ohrfeige, ein Fenstersturz, ein Attentat, ein Sprachengesetz wie unlängst auf der Krim oder eine mörderische Entführung wie jüngst die der drei israelischen Schüler – , die zentralen Motive bleiben diejenigen, die Thukydides vor über 2.000 Jahren herausgearbeitet hat: Furcht, Ehre und Nutzen.

Furcht ist immer real, ob begründet oder nicht. Das kann die Furcht davor sein, dass ein Staat sein Gewicht in der Welt verliert, dass der eigenen ethnischen oder religiösen Gruppe Unterdrückung oder gar Auslöschung droht, dass ein potenzieller Gegner erstarkt. Die Ehre wiederum ist ein Kriegsmotiv, dem ebenfalls eine bestimmte Furcht zugrunde liegt: davor, dass die eigene Glaubwürdigkeit leidet und damit das Droh- oder Abschreckungspotenzial. Auch der ins Auge gefasste Nutzen ist immer wieder der gleiche: Landgewinn, Zugang zu Verkehrswegen, zu Naturreichtümern wie Öl sowie in naher Zukunft womöglich zu Trinkwasser oder einfach die nachhaltige Schwächung eines Gegners.

Angesichts der Zerstörungskraft der heutigen Waffentechnik scheint ein Krieg um solche Vorteile, objektiv betrachtet, niemals nützlicher zu sein als der Frieden. Schiere Übermacht oder die zunehmende Zielgenauigkeit der Waffen können indes zu der Vorstellung verleiten, begrenzte Kriegsziele ließen sich mit Präzision erreichen. Die israelische Führung beispielsweise glaubt, den Konflikt mit Hamas dauerhaft kontrollieren zu können, indem sie immer wieder deren militärisches Potenzial durch Bombardements schwächt.



Auch die Fortentwicklung des Konzepts der Schutzverantwortung, der Responsibility to Protect (R2P), des wohl ausführlichsten Maßnahmenkatalogs zur Verhinderung von bewaffneten Konflikten, ist damit infrage gestellt. Diese Doktrin, zu der sich 2005 auf dem UN-Gipfel die Staatschefs aller Mitgliedsländer bekannt hatten, war vor allem als Reaktion auf die Unfähigkeit der internationalen Gemeinschaft entwickelt worden, die Genozide in Ruanda und in Bosnien abzuwenden. R2P umfasst zunächst einmal die Pflicht zur politischen Krisenprävention; militärisches Eingreifen von außen, um Gräueltaten zu beenden, ist nur ihr letztes Mittel. Für alles das braucht man erprobte Gesprächskanäle, wechselseitiges Vertrauen und Achtung grundlegender diplomatischer Spielregeln. Die werden von Russland nun fortwährend unterminiert.

Dieser Gefahr steht leider keine Ordnungsmacht gegenüber, sie zu bändigen. Als Weltpolizist fallen die USA inzwischen aus. Teils aus freien Stücken, teils, weil sie sich so verhalten haben, als genössen sie eine Hobbessche "vollkommene Freiheit", die es ihnen erlaubte, den Kampf um Öl oder gegen den Terrorismus nach eigenem Gutdünken zu führen, und sei es mit Mitteln der Folter oder des Gegenterrors. Sie haben viel moralischen Kredit verspielt. Die Leerstelle, die sie zurücklassen, wird von niemandem sonst gefüllt, auch von den friedliebenden Europäern nicht. Allein schon deshalb, weil deren militärischen Mittel sehr begrenzt sind.

Derzeit ist viel davon die Rede, dass Europa und namentlich Deutschland mehr internationale Verantwortung tragen solle. Das ist auch richtig, allerdings beginnt Verantwortung zu Hause: Deutsche Waffenlieferungen an Saudi-Arabien dementieren jede friedenspolitische Rhetorik. Die französische Bank BNP Paribas wiederum arbeitet eng mit dem Sudan zusammen, während dieser die Region Darfur in Brand steckt. Auch die Europäer verspielen politisches Kapital.

Und das, obwohl doch gerade Europa etwas Wertvolles anbieten kann: ein Modell des friedvollen oder zumindest gewaltfreien Umgangs miteinander. Die in der Europäischen Union gepflegten Tugenden des geduldigen Verhandelns, der Suche nach Kompromissen und Zwischenlösungen können anderswo in der Welt von Nutzen sein. Ein Beispiel sind wieder die Atomverhandlungen mit dem Iran, in denen gerade die EU-Diplomaten gut darin waren, Lösungswege zu entwerfen. Allerdings sind die Streitparteien daran interessiert, solche Möglichkeiten zumindest auszuloten. Für andere Krisenherde, um die wir uns so viele Sorgen machen, gilt das leider nicht.

Das also sind die Bedingungen, unter denen die Europäer derzeit versuchen müssen, eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zu entwickeln. Aber was bleibt ihnen anderes übrig? Es ist das nackte Eigeninteresse, das Europa zur Krisendiplomatie zwingt und dazu, international Mitstreiter für die Politik der Schutzverantwortung, der R2P, zu gewinnen. Auch für deren militärischen Aspekt. Es hilft alles nichts, Europa muss eben auch rüsten.

Es sind Kriegszeiten. Gerade deshalb wird Friedensdiplomatie jetzt zur europäischen Daueraufgabe. Ihre Aufgaben sind riesig: Sie muss an sämtlichen Fronten präsent sein, allen Beteiligten etwas anbieten, Rückschläge aushalten sowie ihre Mittel, Drohung und Belohnung, flexibel einsetzen.

Gewiss, die Möglichkeiten der Friedenspolitik bleiben begrenzt. Derzeit sind sie sogar besonders schlecht.

Aber nur sie ist vernünftig.

Genauer gesagt, sie beruht auf einem unüberwindlichen Vernunftgrund, an den trotz aller Widrigkeiten zu erinnern ist, ja selbst dann, wenn er naiv erscheinen könnte. Der Astronaut Frank Bormann, der mit Apollo 8 den Mond umrundete, drückte ihn vor über 40 Jahren so aus: "Wenn du von da oben auf die Erde zurückblickst, verschwimmen alle diese Unterschiede und Nationalcharaktere, und du denkst, dass das vielleicht wirklich eine Welt ist und warum wir, zum Teufel noch mal, nicht lernen können, wie anständige Leute zusammenzuleben."