Tierschänderei

Krank durch Züchtung und falsche Haltung

Diabetes, Übergewicht, Herz- und Gefäßerkrankungen - für all diese und noch mehr Erkrankungen hat die Medizin einen Sammelbegriff gefunden: Zivilisationskrankheiten. Es sind Nebenwirkungen des Wohlstands. Doch sie betreffen mittlerweile auch viele Tiere, die mit uns oder für uns leben. Sie werden durch das Leben im Überfluss in ihrer Gesundheit bedroht. Fettsucht, Herzklappenerkrankungen und Tumore sind darum auch in den Tierarztpraxen an der Tagesordnung.

Die Gründe, warum der Mensch die Tiere mit in sein gesundheitliches Zivilisationselend zieht, liegen zum einen in den Haltungsbedingungen. Falsche Fütterung, zu wenig Bewegung, Vernachlässigung und das Halten von geselligen Tieren in "Einzelhaft" stehen an vorderster Stelle. Schon bei der Auswahl des richtigen Heimtiers werden oft große Fehler gemacht: Der Husky in der Einzimmerwohnung ist ebenso fehl am Platz wie das Krokodil in der Badewanne.

Bei manchen Tieren hat sich der Mensch aber schon fast an das ständige Siechtum gewöhnt: Shetland Ponys zum Beispiel überleben in ihrer Heimat, auf den kargen Weiden einer Inselgruppe im Norden Großbritanniens, seit vielen Tausend Jahren ohne den Einfluss des Menschen. Auf den fetten Wiesen Deutschlands, gefüttert mit Getreide und üppigen Fertig-Pellets, leiden viele dieser sonst so robusten kleinen Ponys an Hufrehe, einer äußerst schmerzhaften Erkrankung, die auf einen Eiweißüberschuss in der Nahrung zurückgeht. "Auch dies ist eine Zivilisationskrankheit", bestätigt Jörg Aschenbach vom Institut für Veterinärphysiologie der Universität Leipzig.

Ein anderer Grund für Zivilisationskrankheiten bei Tieren ist die Anpassung der Tiere an unsere Bedürfnisse durch gezielte Zucht und Selektion. "Im Bereich der Nutztiere spricht man von so genannten Produktionskrankheiten", sagt Aschenbach. Schweine werden in die Länge gezüchtet, um immer noch ein Kotelett mehr aus dem Schlachtkörper herauszuholen. Als Nebenwirkung der Schinkenvergrößerung oder auch einer - betriebswirtschaftlich lohnenden - enorm verkürzten Mastzeit sind die Herzen der Tiere dermaßen anfällig geworden, dass ein lauter Knaller an Silvester oder allein das Umtreiben von einer Mastbox in die nächst größere zum plötzlichen Herztod der Tiere führen kann.

Jörg Aschenbach hat seine Dissertationsarbeit über ein weiteres Paradebeispiel für Zivilisationskrankheiten beim Tier geschrieben: über die Milchkuh. Sie sollte nach der Meinung der meisten Menschen auf der Wiese stehen und Gras fressen. Eine moderne Hochleistungskuh, die am Tag bis zu 80 Liter Milch erzeugt, kann den hierfür nötigen Energiebedarf aber keinesfalls nur aus Grünfutter decken. Kraftfutter, eiweiß- und energiereich, muss zugefüttert werden.

Das Verdauungssystem der Kuh ist aber nicht auf diese Art der Fütterung eingestellt. Ein Drahtseilakt in Sachen Nährstoffzufuhr ist die Folge: nicht zu wenig Energie, damit die Kuh nicht zusammenbricht, aber auch nicht zu viel, damit der Pansen, der große Gärraum, in dem der Zellstoff aus dem Grünfutter in verwertbare Untereinheiten gespalten wird, nicht aus dem Gleichgewicht gerät. Kommt dieses Gleichgewicht ins Schwanken, entsteht die Pansenacidose, eine gefährliche Säureüberproduktion, die das Leben des Tieres akut bedroht.

In seinem Projekt erforscht Jörg Aschenbach Möglichkeiten, um über gezielte Fütterungsmaßnahmen den Ausbruch der Pansenacidose zu vermeiden. Nicht nur für die Landwirtschaft könnte eine einfache, kostengünstige Vorbeugemaßnahme von Vorteil sein, auch die Wildwiederkäuer in den Zoos erkranken häufig an dieser Verdauungsstörung. "Vor allem, wenn die Schilder "Bitte nicht füttern!" nicht ernst genommen werden", weiß Aschenbach.

Weitere Problemfelder der Hochleistungszucht sind Fruchtbarkeitsstörungen, Probleme mit dem Bewegungsapparat und ein gehäuftes Auftreten von Krankheiten, die vor 50 Jahren kaum jemand kannte, zum Beispiel die Labmagenverlagerung.

Die Zivilisationskrankheiten machen auch vor den kleinen Heimtieren nicht Halt. An erster Stelle steht bei Hamster und Co. das Übergewicht. Auch Diabetes ist bei Haustieren bekannt. Zuckerige Kräcker verursachen zudem Karies und zerstören so das Gebiss. Doch auch Zuchtaspekte, die zu

Gunsten eines vermeintlich "fehlerlosen Äußeren" degenerative Veränderungen in Kauf nehmen, haben bei vielen Tierarten ihre Spuren hinterlassen. Kaninchen zum Beispiel, stellvertretend für alle Heimtiere mit nachwachsenden Nagezähnen, leiden sehr häufig unter angeborenen Zahnfehlstellungen. Die ständig nachwachsenden Backenzähne werden schräg abgerieben, nadelspitze Zahntreppen entstehen und durchbohren im Zeitlupentempo die Wangen und die Zunge. Die Tiere fressen vor Schmerz nicht mehr und verhungern, wenn der Mensch nicht regulierend eingreift und die Zähne zurückstutzt.

Die vermutlich bekannteste angezüchtete Erkrankung beim Hund ist die Hüftgelenksfehlbildung (Hüftgelenksdysplasie, HD). In schweren Fällen haben schon Junghunde massive Probleme und gehen lahm. Beispiele angezüchteten Siechtums liefern auch Rassekatzen. Perserkatzen etwa können kaum noch durch die Nase atmen und leiden unter chronischen Augenentzündungen. Erbkrankheiten werden von Generation zu Generation weitergegeben, vor allem durch die engen Verwandtschaftsverhältnisse in vielen Zuchtlinien: Ein Vatertier, das gleichzeitig Großvater, Bruder oder Onkel ist, gilt als normal.

"Gezüchtet wird nach dem Kriterium: Was gefällt? Und nicht: Was ist gesund?", beurteilt Jörg Aschenbach die Situation bei den Heimtieren. Nutztiere sind ein wenig besser dran - wenn auch nur, weil ihre Gesundheit einen Kostenfaktor in der landwirtschaftlichen Produktion darstellt.

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Was kann man tun?


Sammeln Sie Beweise


Immer wieder erschüttern uns Fälle von herzloser Tierquälerei. Teilweise im großen Stil wie bei der Hunde-Mafia oder in Schlachthöfen, in denen nicht nach geltendem Recht getötet wird. Aber auch im täglichen Leben, wenn man beobachten kann, wie manche Herrchen mit ihren Hunden oder Katzen umgehen. Sie als Bürger können mehr gegen Tierquälerei tun als Sie glauben. Hier finden Sie eine Anleitung, was zu tun ist, wenn Sie Zeuge solcher Vorfälle werden.

Viele Menschen geben Tipps an Tierschutz-Organisationen weiter oder denunzieren die Halter. Das ist aber nicht der richtige Weg. Das ist eine Art Mobbing, die meist ohne Folgen bleibt.

Besser ist: Sammeln Sie Beweise. Versuchen Sie, Fotos oder Videoaufnahmen zu machen. Gerichte brauchen Beweise, ohne Beweise wird es kaum zu einer Verurteilung des Tierquälers kommen. Wichtig ist: geben Sie nie Originale ihrer Beweise heraus. Machen Sie immer Kopien.



Zeugen sind ein wichtiger Faktor


Nehmen Sie Zeugen mit. Auch das wird vor Gericht viel wert sein. Auch das Notieren von Autokennzeichen und Adressen kann helfen.

Im nächsten Schritt versuchen Sie herauszufinden, wem die Tiere gehören. Und rennen Sie dann nicht gleich zur Polizei, sondern nehmen Sie all Ihren Mut zusammen und konfrontieren Sie den Halter mit Ihren Vorwürfen. 

Bedenken Sie: Sie wollen ja nicht in erster Linie dem Halter schaden, sondern dem Tier helfen. Vielleicht ist der Halter einfach nur unwissend. Tierquälerei kann auch aus mangelnder Kenntnis resultieren. Möglicherweise können Sie dem Halter helfen, möglicherweise können Sie ihm auch ins Gewissen reden. Dann wäre schon viel erreicht.

Eindeutige Tierquälerei können Sie gleich der Polizei oder der Staatsanwaltschaft melden. Ein örtlicher Tierschutzverein wird sicher auch helfen, aber denken Sie daran: Ein Verein braucht unbedingt Dokumente, Fotos, Beweise, um tätig zu werden. 

Wenn Sie das Gespräch mit dem vermeintlichen Tierquäler bereits gesucht haben und er sich uneinsichtig zeigte, hilft der Gang zum Veterinäramt. Meist finden Sie das in Ihrem Landratsamt. Keine schlechte Idee ist auch, die örtliche Presse einzuschalten. Lassen Sie nicht locker, auch wenn die Behörden untätig bleiben.
"Solange einige Menschen denken, das Tiere nicht fühlen können, müssen Tiere fühlen, das diese Menschen nicht denken können."